Der Maerenstein

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Aus „Mein Volkstümliches Galladoorn“ von Ertzel Jasper von Adelbruck Grimmelshausen

Einstmals, vor langen Zeiten schon, gab es ein kleines friedliches Dorf, gelegen an den maechtigen Troner Bergen und den gruenen Ebenen von dem Lande, was heut’ das Fuerstentum von Rabenmund ist. Die Menschen dort fuerten ein einfach’ und zufrieden Leben, hielten ihre Heimstatt sauber und sorgten sich um ihre Kinder.
Doch hoch droben in den wolkenverhangnen Bergen, dort wo seit Anbeginn der Zeiten sich kaum jemals ein Sonnenstrahl verirrt’ , lebte ein Riese, furchtbar anzuschaun und grausam und alt, und sein Herz war ganz und gar aus Stein. Eines schlimmen Tags erwachte dieser und stieg hinab ins Tal, um zu jagen und zu fressen. Die Berggipfel hallten von seinen Schritten, so dass die Gaemsen und das Rothwild, die Voegel und das Almgetier flohen oder Schutz suchten in ihren Nestern und Hoehlen. Und so kam es, das der Riese, sein Name heut’ schon lang dem Vergessen anheim gefallen, sich Vieh stahl von den Menschen und, alsdann sein Hunger gestillt, er sich hoch oben auf einer Wiese niederließ um zu schlafen. Die Leute aus dem Dorf waren voller Angst, doch niemand fand sich, dem Ungetuem Einhalt zu gebieten. So zogen die Jahre ins Tronner Land, und immer wieder hallten die Berge vom Schritt des Riesenhaftgen’ und er stahl sich Vieh und Hirt, doch niemand war sich Manns genug seinem Treiben ein End’ zu setzen.
Viele Jahre spaeter sollt’ eine Heirat gehalten werden, in jenem Dorf am Rand der Troner Berge, nur durch ein schmales Fluesschen getrennt vom schoenen Rabenmund. Die schoene Mialina, einz’ge Tochter eines armen Bauern wollt’ sich vermaehlen mit Jorgen, dessen Vater war der Schmied. Ein stattlich’ Paar warn diese beiden, stark und stolz im Wuchs, und selbst ein Blinder konnt’ die Leibe in ihren Augen sehn’, als beide den Dorfplatz betraten, wo die Hochzeit ihren Lauf nehmen sollt’.
Doch ploetzlich hob sich in den Bergen ein Gebruell, und die Voegel flogen auf und die Hirsche kamen in wilder Flucht aus dem Wald gestoben. Der Riese ward erneut auf Jagd und seine Schritte ließen die Erd’ erbeben! Mit hungrigem Blicke kam der Unhold aus dem Wald, die Baeume knickten unter ihm wie Weizenaehren im Sturm, und er wankte und polterte direkt auf die Hochzeitsgesellschaft zu. Voll Angst um Leib und Leben rannten die Bauern davon, Nur nicht Mialina, und Jorn, welche sich angstvoll aneinander klammerten und an eben jenem Flecke stehen blieben, wo sie zum Lebensbunde sollten getraut werden. Und so kam der Riesenhaft’ge naeher und die beiden ruehrten sich nicht. Als er nun fast schon vor ihnen stand, erhob die schoene Mialina ihre Stimme, zitternd und bebend und Traenen der Angst und der Wut netzten ihre Wangen. „ Fort mit dir, du Furchtbares Wesen, dies soll der schoenste Tag in meinem Leben sein“ sprach die Maid, als der Ries’ vor ihr stehen blieb. Lange blickte er die Weinende an, und sein steinernes Herz ward’ geruehrt. Eine einzige Traene, die Erste und Letzte in seinem uralten Leben kullerte sein raues Gesicht hinab, und fiel in den Staub des Dorfplatzen, als er sich umwand und zurueck in seine dunklen Taeler schlich.
Von diesem Tag an ward’ der Riese nicht mehr gesehn’ und auf dem Dorfplatz liegt seit jenem Tag ein großer runder Stein, von dem die Leut’ sich heute noch erzaehlen, es waer die Traene jenes Riesen, und sie nennen jenen Stein den Maerenstein, den diese Geschicht ist alt und nutmehr nur noch eine Maer. Auch nannten sie jenes Dorf fortahn Maerenstein und alle Maenner und Fraun aus jenem Flecken schmuecken sich mit diesem Namen.

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