Die Wacht des Erion

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– Ein Theaterstück in 3 Szenen

  • Erion der Gute – König von Galladoorn
  • Cerdar von Lohenhorn – Burgherr von Stolzeneck
  • Magister Magicae Aenor – Zauberkundiger im Gefolge des Königs

Vorrede
Im dunkelsten Sommer seit Generationen, im Brachmanoth des vierzigsten Jahres der Regentschaft König Erions, da geschah ein Elend, welches noch in fernerer Zeit die Tränen von Mann und Weib zu rühren wissen wird.
Lang vergessene Schatten jagten das Lande Galladoorn, und Hain und Wiese, Stadt und Dorf kauerten wimmernd unter dem züngelnden Feuer des Krieges, der so schnell über uns gekommen war. Der Schrecken vielgestaltige Ausgeburten, sie trieben uns aus der Kronmark hinfort; alle Hoffnung fiehl von uns ab und der Hass unserer Feinde warf unseren Mut in den Staub, so wie er es mit des Königs Burg getan hatte. Doch König Erion von Galladoorn lehrte uns das Verlorene erst zu betrauern, wenn das Bestehende gerettet sei; so brach er auf, die letzte Hoffnung hegend: die Kleinodien der Königswürde vor dem Feind zu wahren und von sichererem Posten aus das Kriegsgeschick zu besserem zu wenden. Zwingern war das Ziel, dort sich mit dem Brudergeschlechte zu vereinigen. So hätte man gemeinsam die Brust dem Feinde wieder zu-, nicht länger abzuwenden brauchen. Doch die Launen der Götter vereitelten solches.
Ich, Magister Aenor, war mit ihm, als wir den gefahrvollen Weg, mit kleinem Tross nur, wagten. Von Starkburg durch den Mittenwald zwang uns der Feind und zu reichhaltig war der Zehnt, den wir in Blut beglichen.
So schloß der König, daß wir wie wundes Wild uns zu Tode hetzen würden, ließen wir nicht von der Hoffnung Zwingern ab.
Wir kehrten, verzehrt vom Kampf, in des Cerdar von Lohenhorns Burg ein, die wir mit letzter Not noch zu erreichen hofften. Dort auch, harrten wir Woche für Woche aus, dem Sturm des Feindes trotzend; nur noch eine Handvoll waren wir. Dort auch, fand die letzte Hoffnung ihr Ende; Zwingern war fern und die Stunde des Verhängnisses war nah. Von ihr nun, will ich euch Kunde bringen, soweit mein Wissen reicht, soweit bis das mein Tod die Rede bricht.

Erste Szene
„Zurück, zurück! Die Vorburg ist verloren.
Weicht, weicht mit mir!
Zuviel schon, hat der Tod zum Gast sich auserkoren.
Cerdar von Lohenhorn erlag dem Feind, ein Dutzend mit ihm.
Den Zwinger gilt es jetzt zu halten,
der Feind kommt hart, uns auf den Fersen!
Die Schützen, laßt sie retirieren, die Schilde vor im Keil,
das soll des Gegners Ansturm spalten!“

So klingt des Königs Stimme durch den Hof.
Den Zwinger erreicht er grad, mit ihm nur noch drei Handvoll.
Ich seh´s, jetzt läßt er wenden, die Reihe steht;
er mittendrin harrt eichengleich, er ruft uns Mut,
die Schützen läßt er feuern.
Da, jetzt! Der Feind rennt an!
Schilde bersten, jetzt gilt es Mann an Mann.
Die Schützen lassen die Bögen fahren,
die Klinge springt, und vorwärts ohne Zagen.
Grausam drängt sich´s vorne im Getümmel,
Kaum kann man die Schwerter heben;
und da, des Erion werd´ ich erneut gewahr:

„Galladoorn! deinem Frieden gilt mein Leben!
Treibt sie zurück, auf daß der Abschaum weiche,
Wer hier verschnaufft, der tut es nur als Leiche!
Der Zwinger darf dem Feind nicht fallen,
was sonst noch bleibt ist nur die Kernburg.
Doch je! was spiegelt sich im Rüstzeug meines Feindes,
Feuer züngelt an des Kernburgs Hallen!“

Angstvolle Häupter wenden sich,
ja, da oben schlagen Flammen
wie am Meer erschäumt die Gischt!
Ein Brandpfeil muß mit gierigem Fraß
nach dem Gebälk gegriffen haben;
ein jeder sieht im Geiste schon,
wie sich auch bald am Fleisch
die Flammen laben.
Als sei es ein Zeichen auch gewesen,
beginnt das Gestech sich neu zu regen.
Es drängt der Feind in vielen Reihen
heftig an und hofft die Schildwand
aus gold-grün in Bälde zu entzweihen.
Doch stemmt der König mit Gefolge
sich tapfer gegen all die Horden.
Knochen splittern bei Freund und Feind,
gräßlich ist es anzusehen.
Bis zur Wade muß ein jeder
in Blute und Gedärme stehn.
Was geschieht nun! ich wags nicht sagen,
von eines dunklen Bogens Sehne
wird durch die Nacht ein Pfeil getragen
und, in solch finstrer Stunde,
schlägt unseres Königs schwerste Wunde.
Grad wollte er noch den Seinen laut zurufen,
Jetzt schirmen sie ihn, er knieht am Boden,
man geleitet ihn hinter die Reihen.
Eilends flieg ich zu ihm hin, von Sorge
bestürmt, das Schlimmste schon ahnend.

Zweite Szene
Schon bin ich dort, ich sinke nieder
und greife nach des Königs Hand.
Wie aus der Ferne hallt der Kampflärm wieder,
doch nur zwei Schritt, trennt uns von der Schilde Wand.
„Mein König!“, ruf ich, „hört ihr mich?“
Er schauht mich an, doch sagt er nichts.
Aus seiner stahlbewehrten Brust
da ragt ein schwarzer Schaft heraus;
ihn packt er plötzlich und er bricht
den Schaft mit aller Kraft entwei.
„Der Drache war Euch hold, mein Herr,
am Herze ging der Pfeil vorbei,
wenn nur der Schildwall weiter steht,
gibt Euch der Tod noch einmal frei!“

„Aenor, mein treuer Freund, ihr wißt daß alles einst vergeht;
ich spüre, daß in meinem Blut ein Gift wie Feuer wild entbrennt.
In der klingenreichen Schlacht, wo Männer sterben, Mut entsteht,
da ist es wahrlich ohne Wert, ob man sich Knappe oder König nennt;
die Tapferkeit alleine ist es, die dann den wahren König kennt.“

„Wie sprecht ihr, Gift? ihr spürt es schon?
Man muß sich eilen, schnell muß man handeln;
Ich will das beste meiner Heilkunst geben,
wenn nötig will ich Blei in Gold verwandeln,
wenn ihr nur hoffen dürft zu leben!“

„Sei kein Narr, du weißt es besser, also wage nicht zu hoffen
in den letzten harten Wochen lag schon so mancher sterbend nieder,
die Ohren taub und auch das Augenlicht erloschen;
dasselbe Gift war es, an selbigem Gefieder.
Drum rede nicht von hoffnungsleeren Träumen
sondern hilf mir auf, bevor das Toxicum mich schlägt;
es geht zu Ende, jetzt heißt es nicht zu säumen,
sondern mit Heldenmut zu streiten, bis der Leib vergeht.“

So steht er auf und heißt uns ihn zu lassen.
Die Reihe fällt zurück mit unserem König;
er geht zur Kernburg hin und furchtsam folgen wir.
Der Zwinger ist verloren.
Schritt für Schritt ziehen sich die Tapfersten zurück,
den Weg des Königs deckend. Im harten Gestech sind
sie gebunden und viele straucheln im Dunkel.
Doch die Götter vereiteln die blinde Flucht,
so tritt unser König in der Kernburg Mauern.

Dritte Szene
Zur letzten Wehr sind wir nun eingeschlossen,
Gegner stürmen zahlreich, unverdrossen
beständig gegen Tor und Mauer an, es
scheint das letzte Bollwerk unsres Landes.
Und Erion erklimmt allein die Brustwehr,
hoch zur höchsten Zinne will er steigen;
dort steht er dann, des Landes letzter Ahnherr,
schauht herab, wo wir uns stolz verneigen.
Dann wendet er sich fort vom unsrer Seite,
feindwärts läßt er seinen Blick jetzt schauen;
er ruft mit fester Stimme in die weite
schwarze Leere, voll von schwarzem Grauen:

Premier sonnet:
„Hier spricht dein Feind, den du zu töten trachtest,
ein König bin ich, durch des Kampfes Ehr´;
doch was bist du, der off´nen Kampf verachtet?
Du bist ein Feind der Tapferkeit, nicht mehr!
Wie schämt ich mich, wenn ich ein Ritter wäre
der hinter andren nur zum Kampfe geht;
als feiger Abschaum wünscht ich mir ich sterbe,
denn tapfer ist, wer keinen Kampf verschmäht.
So ruf ich den, der hinter seinen Schergen
und hinter einem Wall aus Schatten ruht;
nicht länger sollst du dich vor mir verbergen,
trotz Gift und Alter brennt in mir der Mut.
So komm! zum Zweikampf laß uns beide schreiten,
und um das Schicksal meines Landes streiten.“

Es schweigt die Nacht für eine kurze Weile,
jeder harrt und lauscht auf eine Antwort,
doch dann entbrennt der Kampf in neuer Eile
und er reißt des Königs Rede fort.
Die letzte Hoffnung ist vergangen, keiner
kann auf Gnade oder Rettung hoffen.
Es scheint als wird der König plötzlich kleiner,
lastgebeugt, vom Schicksal schwer getroffen.
Ich eile mich, um zu ihm zu gelangen,
Taub- und Blindheit haben ihn schon umfangen.
Und oben, dort auf hoher Brüstungszinne,
vernahm ich als letzter seine gramerfüllte Stimme:

Deuxième sonnet:
„Er scheuht den ehrenvollen Kampf und raubt mir
die letzte Ruhmestat für Galladoorn;
doch ich scheuh nicht des Schlachtentodes Untier.
Ich will hinaus, als erster sterb´ ich vorn.“

„O König mein, wie schmerzt es mich zu sehen,
wie ihr vom Gift geschwächt so taub und blind.
Nicht einen Schwerthieb würdet ihr bestehen,
wie ehrlos wärs, wenn euch der Tod so nimmt.“

„Aenor, führ´ mich runter zu den Mannen,
ein letztes Mal will ich im Kampfe stehn;
ein letztes Mal den Kriegermut entflammen
und mit den Meinen glücklich untergehn.

Was bleibt von mir, wenn bald mein Leichnam liegt?
Nur Ruhmestat in ewigem Heldenlied!“

So spricht des Königs trauervolle Stimme,
als ich hinuntersteig von hoher Brüstungszinne.
Er bleibt zurück, allein in finstrer Nacht
und hällt in Ewigkeit des Landes Totenwacht.

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